Der IFA 1320 -
Ein L60 mit Mercedes-LN2- Fahrerhaus -
Der Aufbruch des Ludwigsfelder Entwicklungs-Teams nach der Wende
Mit diesem Projekt überzeugte die IFA-Entwicklungsabteillung 1990 die Investoren von Daimler-Benz – Das können wir leisten!
Im Museum für Stadt und Technik Ludwigsfelde steht dieser Lkw mit dem IFA-Logo an der Frontmaske.
Aber die Kabine sieht eher aus wie das Fahrerhaus der LN2-Baureihe von Daimler aus den 90-er Jahren.
Die Info-Tafel verrät lediglich die Daten des hinlänglich bekannten
IFA L60.

Aber: Mit diesem Fahrzeug wurde Geschichte geschrieben!
Es ist die Geschichte eines Neu-Startes der IFA-Entwicklungsabteilung, die nach der Wende quasi „über Nacht“ vor völlig neuen Möglichkeiten stand und auf die Ressourcen eines starken Partners der Automobil-Industrie zurückgreifen konnte – die der Firma Daimler-Benz.
Das war die Ausgangs-Situation:
Der IFA L60, der 1987 in Serie ging, war eine komplette Neukonstruktion auf dem aktuellen Stand der Technik. Leider war eine Neugestaltung des Fahrerhauses aus finanziellen Gründen nicht möglich, da die Blechpress-Werkzeuge der W50-Fertigung weiterverwendet werden mussten. Werkzeuge für Großblechteile sind in der Fertigung sehr kostenintensiv.
Damit wurde er in der Öffentlichkeit und vor allem auf den Exportmärkten mit dem 25 Jahre alten W50 gleichgesetzt, was in Verbindung mit dem deutlich höheren Preis zu Absatz-Problemen führte.
Erst nach der Wende kam endlich die Chance, aus dem „Regal“ von Daimler-Benz ein neues Fahrerhaus für den L60 zu bekommen. Damit sollte der L60 in den traditionellen Exportländern vermarktet werden, ohne dem Mercedes LN2 Konkurrenz zu machen.
Das Fahrerhaus des LN2, dem Vorgänger des Atego, passte in den Hauptabmessungen zum L60. Aber es war für ein völlig anderes Fahrzeug konstruiert worden und befand sich auch bereits in der Serien-Fertigung.
Die Anpassung an den L60 technisch und wirtschaftlich sinnvoll zu gestalten, – das war die große Herausforderung an die Entwicklungsabteilung in Ludwigsfelde.
Denn es sollte ja nicht nur eine „Bastel-Lösung“ sein, sondern ein konstruktiv durchgearbeitetes Projekt bis zur Fertigungs-Planung.
Deshalb waren in möglichst kurzer Zeit diese Schwerpunkte zu lösen:
-> Die Motor- und Kühlerhüllkurven und der Freigang der Vorderräder wurden vermessen, um das Fahrerhaus zu positionieren.
-> Der Rahmen des L60 musste jetzt die LN2-Fahrerhauslagerung und die Drehstäbe zum Kippen der LN2-Kabine aufnehmen, denn die L60-Kabine wurde mit einer Hydraulik gekippt – eine vollkommen andere Krafteinleitung in den Rahmen! Zu diesem Zweck wurde der Frontbereich des L60-Rahmens über einen Adapter auf die LN2 – Ausführung geändert.
-> Für die Verbindung der Lenksäule mit dem Lenkgetriebe wurde ein Kreuzgelenk mit einer „Ost- und einer West-Verzahnung“ hergestellt.
-> Für die hintere Fahrerhauslagerung entstand ein neuer Brückenquerträger.
-> Die Bremsansteuerung erfolgte über ein Knickgestänge.
-> Ein neuer Motor mit ATL (Abgas-Turbolader) und 200 PS wurde vom Motorenwerk Nordhausen geliefert und eingebaut.
Die Kollegen von Konstruktion, Musterbau und Versuch legten los.
Drei Wochen später kam der Vorstandsvorsitzende der MB-AG, Dr. Werner Niefer, zu einem Arbeitsbesuch nach Ludwigsfelde. Beim Durchgang durch die Halle 9, in der der Musterbau und der Versuch untergebracht war, bezog sich Herr Dr. Niefer auf die Absprache zur Verwendung des LN2-Fahrerhauses für den L60, und fragte beiläufig, ob denn schon erste Untersuchungsergebnisse zur Verwendbarkeit des Fahrerhauses vorliegen.
Daraufhin führte ihn der Leiter des Musterbaus vor die Halle, zeigte ihm das fertige Fahrzeug und lud ihn zu einer Probefahrt ein. Die Kollegen aus Stuttgart waren beeindruckt, dass in einer Rekordzeit von drei Wochen ein fahrfertiges Fahrzeug auf die Räder gestellt werden konnte. Diese Leistung wurde ermöglicht durch die – hier schon immer traditionelle – enge und unbürokratische Zusammenarbeit der beteiligten Abteilungen Konstruktion, Musterbau und Versuch.
Das Fahrzeug stieß auf großes Interesse der Belegschaft der gesamten Entwicklungsabteilung.


Auch einen neuen Namen hatte das Fahrzeug bekommen:
IFA 1318
(mit Saugmotor)
IFA 1320
(mit Abgas-Turbolader)
sollte es dann heißen.

Dieses Fahrzeug war die letzte Entwicklung im VEB IFA-Automobilwerke Ludwigsfelde.
Das Foto entstand 1990 nach der Fertigstellung im Rahmen von ausgiebigen Probefahrten durch die Kollegen aus Stuttgart und Ludwigsfelde.
Das Ergebnis hat die Kollegen aus Stuttgart überzeugt. Wenig später kamen die ersten Entwicklungsaufträge für die neu gegründete EGL –
die Entwicklungsgesellschaft Ludwigsfelde mbH.
Die EGL war ein neues Unternehmen, gebildet aus den ehemaligen Abteilungen Konstruktion, Musterbau und Versuch des IFA-Werkes.
Infolge der schon kurzfristig danach erfolgten Währungsunion und der damit verbundenen drastisch veränderten Marktsituation war die Fertigung des L60, auch mit einem modernen Fahrerhaus, leider nicht mehr wirtschaftlich.
Die Erfahrungen der Ludwigsfelder Fahrzeug-Entwickler flossen dann aber in noch viele Projekte des Mutterkonzerns ein, besonders des neuen Vario, der zu großen Teilen in Ludwigsfelde entwickelt und von 1996 bis 2013 hier gebaut wurde.


Der IFA 1320 steht jetzt als Dauerleihgabe des Vereins
„Freunde der Industriegeschichte Ludwigsfelde e.V.“ im Museum für Stadt und Technik Ludwigsfelde. Er wird durch unseren Verein technisch ahrbereit erhalten. Für das Museum wurde die Pritsche begehbar ausgestattet und dient als Plattform für die Ausstellung der L60-Schnittmodelle von Motor, Getriebe und Hinterachse.
Hier die technischen Daten:
IFA 1318 4x2 P (mit Abgas-Turbolader 1320 4x2 P)
Fertigung im Musterbau April 1990
Zul. Gesamtgewicht: 12.300 kg
Nutzlast: 7.000 kg
Radstand: 3.790 mm, Rahmenüberhang: 1.746 mm
Motor: 6-Zylinder Dieselmotor: 6 VD13,5/12 ASRF, 135 KW
(200 PS), bei 2200 U/min
Fahrerhaus: Angepasstes Frontlenkerfahrerhaus der Leichten Klasse
(LN2) von Mercedes-Benz
Getriebe. Achtgangwechselgetriebe, Doppel - H - Schaltung
Vorderachse: Faustachse geschmiedet, zulässige Achslast 4.000 kg
Hinterachse: Planetengetriebeachse in Gussausführung, zulässige Achslast 8.300 kg
Bremsanlage: Hydraulisch mit Druckluft-Betätigung