Der VEB Industriewerke Ludwigsfelde (IWL) entsteht aus dem im 2. Weltkrieg zerstörten Flugzeugmotorenwerk der Daimler-Benz AG und bekommt von der damaligen Staatsführung der DDR interessante Produktionsaufgaben. weiter lesen
Autor: Manfred Blumenthal
Der VEB Industriewerke Ludwigsfelde
- die Wiege der Motorrollertypen Pitty, Wiesel, Berlin und TROLL -
Die Daimler-Benz AG erwarb 1935 große Ländereien in der Gemarkung Genshagen und baute dort ein Motorenwerk für Flugmotoren. Im nahe gelegenen Ludwigsfelde entstanden gleichzeitig für viele Mitarbeiter des Flugmotorenwerkes Wohnstätten. Das Werk erlitt im Ende des Zweiten Weltkrieges erhebliche Schäden durch die Bombenangriffe der Alliierten und wurde nach 1945 entsprechend internationaler Abkommen demontiert und durch Sprengungen zerstört.
Um die Abwanderung gut ausgebildeter Fachkräfte zu unterbinden, bemühten sich kommunale Politiker intensiv um eine erneute Industrieansiedlung. Die staatliche Wirtschaftsführung der DDR beschloss 1952 den Neubau eines Werkes für Schiffsmotoren auf einem Teil des ehemaligen Daimler- Benz Werkgeländes. Gleichzeitig startete ein Programm zum Bau von Wohnungen und Sozialbauten. Am 1.März 1952 erfolgte die Konstituierung des VEB (volkseigener Betrieb) Industriewerke Ludwigsfelde (IWL). Bereits im Dezember 1952 konnte die erste neue Fertigungshalle zur Nutzung übergeben werden. Entwicklungsarbeiten und Produktionsvorbereitungen für einen 2000 PS starken und 4500 kg schweren Schiffs-Dieselmotor liefen an.
Doch 1953 ändert sich die Wirtschaftspolitik der DDR gravierend, genannt Neuer Kurs. Hatte bisher die Schwerindustrie absoluten Vorrang im Neuaufbau der Wirtschaft, so wurde im Juni 1953 der Produktion von Konsumgütern ein höherer Stellenwert eingeräumt. Grund war die Unzufriedenheit großer Bevölkerungsteile, die acht Jahre nach Kriegsende einen höheren Lebensstandard forderten.
Eine dieser Forderungen konnte den Pressemedien entnommen werden. Bereits seit 1951 fanden sich in Zeitschriften Berichte über Motorroller-Eigenbauten, verbunden mit dem Wunsch nach Produktion eines solchen durch die Industrie.
Nun also war es soweit. Auserkoren für die Fertigung: der VEB Industriewerke Ludwigsfelde.
Das Werk sollte ab 1954 Seitenbordmotoren 1,2 PS, Inbordmotoren 4,5 PS (beide Motorenvarianten für Freizeitboote), Fahrradhilfsmotoren und Motorroller produzieren. Im August 1953 untersuchte die Werkleitung Fertigungsmöglichkeiten für einen Motorroller, im Oktober 1953 erfolgte der staatliche Auftrag zur Entwicklung und Produktion eines allen Ansprüchen entsprechenden Motorrollers. Dessen Konstruktion sollte bereits zum 15.Dezember 1953 abgeschlossen sein. Der Serienbeginn war für August 1954 vorgesehen und zum Jahresende hätten 4000 Motorroller die Straßen der DDR bevölkert.
Von den 1953 geplanten Erzeugnissen blieb letztendlich nur der Motorroller und dieser mit deutlichen Verzögerungen zu dem unrealistischen, aber voreilig in der Presse verkündeten Beginn einer Serienproduktion..
Im April 1955 standen die ersten Motorroller vom Typ Pitty, wie der Typname nun lautete, in den Verkaufsläden und auf der Leipziger Messe. Sie wurden mit Begeisterung vom Verbraucher aufgenommen. Bereits ein Jahr später kam der Nachfolger, seine Typbezeichnung: SR56, Wiesel. Mit dem seit 1959 gefertigten Typ SR59, Berlin, wurden die Industriewerke Ludwigsfelde durch Exporte auch international bekannt. Der ab 1963 in Produktion befindliche Typ TR150, TROLL, bildete den Abschluss der erfolgreichen Ludwigsfelder Motorrollerfertigung.
Die Aufnahme einer Nutzkraftwagenproduktion erforderte Ende 1964 die Einstellung der TROLL-Fertigung.
Der nur noch geringe Bedarf an Motorrollern wurde durch Importe abgedeckt.
Autor: Manfred Blumenthal